Illegales Online-Glücksspiel wächst europaweit – trotz strenger Regulierung. Insider warnen: Harte Maßnahmen helfen wenig – teilweise können sie den Schwarzmarkt sogar stärken. Effektiver sei es, die Spieler zu verstehen. Auch das deutsche Modell ist Teil der Debatte.

Eindeutig positive Nachrichten zur Entwicklung des Glücksspiel-Schwarzmarkts sind eher selten. Illegale Angebote beschäftigen die Branche, die Behörden und die Politik europaweit.

Insider aus verschiedenen Ländern haben sich vor kurzem in der internationalen Fachpresse dazu geäußert und klargestellt, dass das Problem wächst. Viele Maßnahmen, die eigentlich dazu gedacht sind, unerlaubte Betreiber auszuschließen, würden kaum etwas bringen – und offizielle Zahlen zur Schwarzmarktnutzung seien mit Vorsicht zu genießen. Eine strenge bzw. „drakonische“ Regulierung könne den „Illegalen“ sogar mehr Kunden verschaffen.

Effektiver sei es, die Spieler besser zu verstehen und den Schwarzmarkt mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Auch das deutsche Modell wurde dabei mehrfach angesprochen. Apropos: Die GGL forderte kürzlich Gesetzesverschärfungen im Strafrecht, bei deren Beschluss auch Nutzer illegaler Online-Glücksspiele mehr im Fokus stehen würden.

Illusion der Kontrolle: Nutzerzahlen und Kanalisierungsraten können trügerisch sein

Welche Ausmaße hat der Schwarzmarkt wirklich? Diese grundsätzlich einfache Frage ist tatsächlich kaum zu beantworten.

„Wie kann man etwas berechnen, dass nirgendwo erfasst wird? Es ist ein bisschen so, als würde man den Umfang der Schattenwirtschaft beziffern. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe“, erklärt Richard Williams, Glücksspielanwalt und Partner bei Keystone Law.

Trotzdem versuchen Behörden, Branchenverbände und Politiker auf verschiedenen Wegen, belastbare Zahlen zu generieren. Der britische Betting and Gaming Council (BGC) etwa schätzte im September 2024, dass jährlich Einsätze im Wert von satten 2,7 Milliarden Pfund auf dem englischen Schwarzmarkt platziert werden. Und das sei noch eine konservative Zahl, die also real durchaus deutlich größer ausfallen könnte. In England steht der Live-Spiele-Entwickler Evolution übrigens gerade wegen Schwarzmarktbeziehungen massiv unter Druck.

In Deutschland liegt der offizielle Schätzwert für die Nutzung illegaler Online-Angebote bei rund 4 Prozent. Dem gegenüber steht die Bezifferung vom Deutschen Online Casinoverband (DOCV), dessen Präsident Dirk Quermann im Rahmen der ICE-Messe 2025 von 20 bis 40 Prozent sprach.

Der Grund für diese Unsicherheiten und Schwankungen: Der Schwarzmarkt ist natürlicherweise schwer greifbar. Betreiber agieren aus dem Ausland, wechseln Domains, verstecken sich hinter technischen Barrieren. Zentrale, verlässliche Daten gibt es einfach kaum – was bleibt, sind Hochrechnungen und Erfahrungswerte.

Neben den konkreten Schwarzmarkt-User-Zahlen steht die sogenannte Kanalisierungsrate im Fokus. Sie beschreibt, wie viele Spieler sich für legale Angebote entscheiden. Insbesondere in Märkten wie Schweden, den Niederlanden oder Dänemark wird diese Zahl immer wieder als besonders starkes Erfolgskriterium herangezogen. Die Dänen gelten dabei mit einer Nutzung legaler Glücksspielseiten von rund 90 Prozent als ein europäisches Paradebeispiel für effektive Regulierung.

Doch auch hier lohnt ein genauer Blick: In Schweden etwa gibt es drei verschiedene Kanalisierungsraten – je nachdem, wer misst. Die Regulierungsbehörde Spelinspektionen nennt mit Daten von H2 Gambling Capital und Spielerbefragungen 86 Prozent. Das Rennwetten-Monopol ATG spricht in seiner Q3-2024-Auswertung von 70 bis 82 Prozent – gemessen an Nutzerströmen zu illegalen Seiten. Der Branchenverband BOS wiederum schätzt 77 Prozent.

„In Schweden, wo ich lebe und arbeite, ist die Kanalisierungsdebatte die Mutter aller Diskussionen“, sagt Gustaf Hoffstedt, Generalsekretär des schwedischen Glücksspielverbands BOS. „Keine andere Einschätzung hat so viel Einfluss auf die Regierung oder die Behörden und letztlich auf die Diskussion darüber, wie man Märkte regulieren sollte.“

Für Hoffstedt ist klar: Die Messmethoden müssen besser werden – ein Anliegen, das auch BGC-Expertin Grainne Hurst teilt:

„Ich erwarte, dass sich mit der Weiterentwicklung dieser Arbeit einheitliche Methoden durchsetzen werden. Aber es wird immer schwierig bleiben, das Ausmaß des Schwarzmarkts zu bestimmen – wegen der Taktiken, die die Betreiber anwenden.“

Einheitliche Standards könnten verhindern, dass Kanalisierungsraten bewusst geschönt werden.

„Behörden neigen dazu, die Kanalisierung höher einzuschätzen als die Branche selbst – um ein gesundes, florierendes legales Marktbild zu zeichnen“, so Hoffstedt.
Die Botschaft: Weder Nutzerzahlen noch Kanalisierungsraten sagen immer die ganze Wahrheit. Wer glaubt, den Schwarzmarkt im Griff zu haben, verlässt sich damit womöglich auf Zahlen, die mehr mutmaßen als wirklich zu belegen. Genau dieser Fakt wird allzu häufig vergessen.

Warum die Jagd auf illegale Anbieter dem Kampf gegen Windmühlen gleicht

Die europäischen Behörden halten einige auf dem Papier sehr starke Maßnahmen gegen illegale Glücksspielanbieter in den Händen. Aber ob diese tatsächlich die gewünschte Wirkung zeigen können, darüber gehen die Meinungen der internationalen Branchenexperten auseinander.

Vor allem die Effektivität des Geo-Blockings würde oft überschätzt. Denn unregulierte Anbieter haben längst verschiedene Lösungen für solche Restriktionen in petto. Eine beliebte Strategie: das Einrichten sogenannter Mirror-Websites. Sobald eine Seite gesperrt wird, geht eine nahezu identische Kopie mit neuer URL online.

Besonders ernüchternd fällt das Urteil über IP-Sperren aus, die in Deutschland übrigens gerade erst wieder vom Bundesverwaltungsgericht als nicht durchsetzbar bestätigt wurden. In den Niederlanden ist IP-Blocking erlaubt. Es sei laut der hiesigen Aufsichtsbehörde KSA aber kaum praktikabel. Deren Vorsitzender Michel Groothuizen erklärte, dass es bis zu einem Jahr dauern könne, bis eine einzelne Seite tatsächlich gesperrt werde – da jedes Blocking gerichtlich überprüft werden müsse.

„Ich bin neidisch auf unsere Kollegen von der Behörde zur Bekämpfung von Online-Terrorismus und Kinderpornografie. In manchen Fällen können solche Inhalte innerhalb einer Stunde entfernt werden“, so Groothuizen. Glücksspiel hingegen stehe auf der Prioritätenliste der Regierung deutlich weiter unten.

Auch Google greift inzwischen ein. Wie wir berichteten, verbietet der Suchmaschinenriese illegalen Glücksspielanbietern seit September 2024, in Deutschland Werbung über sein Netzwerk zu schalten. Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) ist sehr zufrieden mit der Entwicklung und meldet Erfolge – doch nicht alle teilen diesen Optimismus.

Simon Priglinger-Simader, Vizepräsident des Deutschen Online Casinoverbands (DOCV), bleibt skeptisch: „Das ist ein großer Fortschritt in Deutschland und definitiv ein Best-Practice-Beispiel für andere Märkte“, sagt er. „Aber was die tatsächliche Wirkung betrifft, sind wir uns noch nicht sicher.“
Denn auch hier gilt: Wer etwas blockieren will, braucht Zeit – und genau da sind die illegalen Betreiber im Vorteil. Sie wechseln einfach die URL, die Plattform, den Namen, das Land – und machen irgendwie doch weiter.

Das schärfste Schwert sei noch das Payment-Blocking, also das gezielte Unterbinden von Zahlungsströmen. Wer kein Geld empfangen kann, kann keine Glücksspiele anbieten – so simpel, so wirksam.

In Deutschland zeigt sich hier laut Simon Priglinger-Simader bereits ein deutlicher Effekt: „Wir hören von der GGL, dass sie eine echte Auswirkung der Zahlungssperren sehen.“

Tatsächlich hob die Behörde in ihrem insgesamt positiven Jahresrückblick für 2024 erhebliche Fortschritte beim Payment-Blocking hervor.

Leider gibt es aber auch an dieser Stelle einen Haken: nämlich Krypto-Anbieter. Entsprechende Währungen können einfach kaum reguliert werden. Und genau das ist einer der Hauptgründe, weshalb Bitcoin, Ethereum und Co. auch bei Spielern immer beliebter werden. Wir haben bereits vor einiger Zeit darüber berichtet, dass die Blockchain das Online-Glücksspiel revolutionieren könnte.

Konsens: Der legale Online-Glücksspiel-Markt muss attraktiver werden, um illegale Anbieter auszubremsen

Strafen, Sperren, Verbote – das alles mag notwendig sein. Doch repressive Maßnahmen allein werden den Schwarzmarkt nie stoppen: Darin sind sich viele Branchenkenner inzwischen einig.

„Allein mit Durchsetzung wird man das illegale Glücksspiel nie verhindern können“, warnt Hurst. Der regulierte Markt müsse der attraktivste Ort zum Spielen und Wetten bleiben. „Drakonische Maßnahmen verhindern Glücksspiel nicht – sie treiben vielmehr das illegale Angebot weiter an.“

Die Folgen zeigen sich laut den Insidern bereits in mehreren europäischen Staaten. In den Niederlanden etwa soll die Glücksspielsteuer bis 2026 auf 37,8 Prozent steigen – eine Belastung, die viele Anbieter zum Rückzug bewegt. Einige Big-Player haben bereits den Markt verlassen. Branchenvertreter gehen davon aus, dass weitere folgen.

Ein Rückzug mit weitreichenderen Auswirkungen: Denn weniger Anbieter bedeuten weniger Auswahl – und einen Markt, der für Spieler immer mehr an Attraktivität verlieren könnte.

Gustaf Hoffstedt sieht ein strukturelles Problem: Viele europäische Länder setzen laut ihm zu stark auf Repression. Neal Menashe, CEO der börsennotierten Super Group, stimmt dem ausdrücklich zu. Seiner Ansicht nach ähneln viele aktuelle Regulierungsansätze „der Bestrafung von Zivilisten für die Taten von Kriminellen“.

Auch in Großbritannien werden Bedenken lauter – etwa zu den geplanten Liquiditätsprüfungen vor Anmeldungen auf Glücksspielseiten („Affordability-Checks“) und Einsatzlimits für Slots.

Hurst dazu: „Es ist kontraproduktiv für ein sicheres Spielumfeld, wenn Regulierungen den legalen Markt unattraktiv machen. Wir sehen es ganz deutlich: Niemand möchte sensible Finanzdaten preisgeben. In solchen Fällen hören die Leute entweder ganz auf – oder sie weichen auf den Schwarzmarkt aus.“
In Deutschland klingt der Tenor ähnlich. Ende 2024 kritisierte die Branche den „Stillstand“ auf dem hiesigen Glücksspielmarkt. Die aktuelle Lage scheint mehr Hürden als Lösungen zu schaffen – und gibt den illegalen Anbietern damit eine Menge Attraktivität.

Quelle des Bildes: https://pixabay.com/illustrations/man-woman-business-people-business-76202/

Zentrale Textquellen: https://igamingbusiness.com/offshore-gaming/europes-illegal-gambling-market-whats-the-solution/

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2 Kommentare zu: Brancheninsider mit Schätzungen zum Online-Glücksspiel-Schwarzmarkt in Europa

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Zum Thema "Google verbietet Werbung illegaler Glücksspielanbieter..":
Wen man auf Google nach den üblichen Schlüsselwörtern sucht, z.B. online, casino, lotto, slots usw.,
tauchen u.a. Lottohelden & Lottoland weiterhin unter den...   Mehr anzeigen
Relativ simpel, je mehr man Menschen dazu nötigt, desto weniger werden sie darauf reagieren.

Ist wohl verständlich, dass kaum jemand Lust hat, sich gefühlt sein erarbeitetes Geld ohne Spaßfaktor durch gesetzliche Regulierungen,...   Mehr anzeigen
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